Soziale Medien. Ein Phänomen, das aus dem Alltag der meisten (jungen) Menschen gar nicht mehr wegzudenken ist. Viele von ihnen veröffentlichen auch regelmäßig eigene Beiträge – so wie ich. 

Wir teilen dort Bilder, Videos oder Texte und präsentieren damit uns selbst, unsere Erlebnisse, Gedanken, Gefühle oder auch unsere Herzensprojekte auf der jeweiligen Plattform. Und genau das kann so gefährlich für unser Selbstbewusstsein werden. Zumindest dann, wenn wir uns von der Meinung anderer Menschen (noch) nicht abgrenzen können.

Soziale Medien wie z. B. Instagram können zur Gefahr werden, wenn ich erst durch eine bestimmte Anzahl an Likes glauben kann, dass ich schön, liebenswert oder gut genug bin. Wenn ein negativer Kommentar zu meinem Foto ausreicht, um mich an mir selbst zweifeln zu lassen. Wenn meine eigenen Gedanken schon überkritisch sind und mich die Kommentare von anderen nur noch mehr darin bestätigen. Wenn ich meinen eigenen Wert von der Meinung anderer Menschen abhängig mache.

Solange wir unseren eigenen Wert nicht kennen, hat jeder noch so anonyme Nutzer die Macht, uns zu verletzen.

Von emotionalen Verletzungen und Pflastern

Stell dir vor, du wirst verletzt und ziehst dir eine tiefe Wunde zu. Was tust du? Du gehst wahrscheinlich zum Arzt, wo sie behandelt (gesäubert und dann genäht, geklebt oder geklammert) wird. 

Aber was ist, wenn es eine emotionale Wunde ist? Meistens schauen wir uns die lieber nicht so genau an. Stattdessen lenken wir uns ab, damit wir uns besser fühlen. Das ist, als ob wir einfach provisorisch ein paar Pflaster über eine Fleischwunde kleben würden. Man sieht sie zwar erstmal nicht mehr, aber verheilen wird sie auf diese Weise bestimmt nicht. 

Ich habe genau das jahrelang getan: Meine Wunden ignoriert und mich dann immer wieder gewundert, dass andere Leute sprichwörtlich ihre Finger dort hineinlegen konnten. Und glaub mir, das tat ganz schön weh.

Was macht man dann, wenn man immer wieder aufs Neue verletzt wird? Man entwickelt Strategien, um sich (und die Wunden) vor Angriffen zu schützen. So hatte ich mich zum Beispiel jahrelang in meine Schüchternheit zurückgezogen und bin anderen Menschen möglichst aus dem Weg gegangen – bevor ich wieder verletzt werden konnte. 

Tief verletzt: Mangelndes Selbstwertgefühl

Vor einigen Jahren hatte ich dann genug davon, mich zu verstecken. Also fing ich an, nach Wegen zu suchen, um mein Selbstbewusstsein zu stärken. Ich habe etliche Strategien ausprobiert, mich immer wieder aus meiner Komfortzone gewagt und dabei eine Menge gelernt. Und mit diesen Erfahrungen wollte ich auch andere Introvertierte und Schüchterne auf ihrem Weg zu mehr Selbstbewusstsein unterstützen – über die sozialen Medien.

Was ich da noch nicht geahnt habe: Ich hatte mir zwar oberflächlich mehr Selbstbewusstsein aufgebaut, doch es lag noch eine Wunde tief unter dieser Oberfläche. Und die hatte ich mit meinem neu gewonnenen Selbstbewusstsein nur verdeckt, aber nicht geheilt.

Von welcher Wunde ich spreche? Von der wahrscheinlich größten emotionalen Wunde, die viele Menschen mit sich herumtragen: mangelndes Selbstwertgefühl.

Tief in unserem Inneren sind wir davon überzeugt, nicht gut genug zu sein. Wir haben Angst vor Bewertung, Kritik und Zurückweisung. Wir wollen alles möglichst perfekt machen und bloß keine Fehler begehen. Wir missachten unsere eigenen Grenzen und Bedürfnisse, um es anderen recht zu machen. Und wir glauben, wir müssten erst noch dieses und jenes erreichen, um liebenswert zu sein.

Auf der Suche nach Bestätigung in den sozialen Medien

Je länger ich in dieser Zeit auf Instagram & Co unterwegs war, umso deutlicher wurde mir bewusst, wie angeknackst mein Selbstwertgefühl war. 

Bekam ich eine Menge Likes, positive Kommentare und neue Follower, fühlte ich mich gut, denn ich hatte ich etwas erreicht. Blieben die Likes aus, gab es kritische Kommentare oder sprangen Follower wieder ab, bezog ich das direkt auf mich – ich fühlte mich wie eine Versagerin.

Gleichzeitig machte mir mein Perfektionismus das Leben schwer: Egal, ob es darum ging, einen Beitrag vorzubereiten oder Kommentare und Nachrichten zu beantworten – ich legte beim Formulieren jedes Wort auf die Goldwaage. Warum? Weil ich Angst hatte, dass jemand meine Worte falsch verstehen und mich deswegen angreifen könnte. Das kostete mich einerseits eine Menge Zeit, die ich eigentlich für andere Dinge brauchte. Andererseits wollte ich aber auch meine Erfahrungen weitergeben und damit so viele Menschen wie möglich erreichen. Durch diesen Zwiespalt baute sich in meinem Inneren immer mehr Druck auf. 

Den ganzen Tag kreisten meine Gedanken um den nächsten Beitrag, um beeindruckende Bilder und inspirierende Texte. Um Follower, Likes und Kommentare. Um Reichweite und Algorithmen. Und zwar so sehr, dass ich mir selbst keine Zeit mehr ließ, wirklich zu leben. Ich vertröstete Freunde und Familie, vernachlässigte Sport und gesunde Ernährung und verurteilte mich dafür, dass ich ständig den Wunsch hatte, mir eine Auszeit zu nehmen.

Druck: Nach außen hin unsichtbar, doch innerlich intensiv spürbar

Ich wusste, dass ich mir diesen Stress selbst machte, trieb mich aber trotzdem immer weiter an. Ich hoffte einfach, dass es irgendwann besser werden würde. Dass ich mich daran gewöhnen und schneller werden würde. Das ging so lange, bis ich dem Stress nicht mehr standhalten konnte – und mich entschied, eine Pause einzulegen. Ich wusste nicht, für wie lange, ich wusste nur, dass ich sie dringend nötig hatte. 

Und ganz ehrlich? Je mehr Abstand ich von der digitalen Welt gewann, desto besser fühlte ich mich. Ich hatte endlich wieder Zeit für mich, konnte mal ein Buch lesen, meditieren, Freunde treffen, Sport machen oder schreiben – ohne ständig unter Druck zu stehen. 

Mein Auftritt in den sozialen Netzwerken hatte eine Wunde aufgerissen, die ich bis dahin selbst kaum wahrgenommen hatte – so gut hatte ich sie versteckt.

Als ich dieses Bild vor Augen hatte, wurde mir klar: Es machte keinen Sinn, meine ganze Kraft darauf zu verwenden, die Wunde zu verstecken oder gegen mögliche Angriffe zu verteidigen. Viel effektiver wäre es, sie einfach zu heilen. Dann wäre ich nicht mehr so leicht angreifbar, könnte meine Schutzmechanismen aufgeben und insgesamt viel entspannter durchs Leben gehen. 

Die Lösung hieß also: mein Selbstwertgefühl stärken. Und genau dafür habe ich mir dieses Jahr ausgiebig Zeit genommen.

Wann soziale Medien zur Gefahr werden können

Soziale Medien sind Werkzeuge und es bleibt uns überlassen, wie wir diese nutzen. Wir können ein Messer einerseits zum Gemüseschneiden und andererseits als Waffe verwenden – es ist unsere Entscheidung. Und so ist es auch bei den sozialen Netzwerken: Entweder wir nutzen sie auf positive Weise, indem wir uns austauschen, wertvollen Content liefern, andere unterstützen, respektvolle Kommentare schreiben und eine gesunde Balance zwischen online- und offline-Welt halten. Oder wir nutzen sie auf negative Weise und schreiben Hater Kommentare, ziehen andere runter oder machen uns selbst so viel Druck, dass wir daran kaputtgehen. 

Soziale Medien können zur Gefahr werden, wenn wir uns (noch) nicht von der Meinung anderer Menschen abgrenzen können. Wenn das, womit wir auf den Plattformen konfrontiert werden (Inhalte, Kommentare, sozialer Druck), Wunden aufreißt und wir keine gesunden Strategien kennen, sie zu heilen. Wenn wir dort nach der Bestätigung suchen, die wir uns selbst nicht geben können.

Für mich war diese Erfahrung der Anstoß dazu, endlich meine Wunde zu heilen. So habe ich es geschafft, mein Selbstwertgefühl zu steigern und meinen Umgang mit den sozialen Medien positiv zu verändern.

Erzähl mal: Was sind deine Erfahrungen mit sozialen Medien? Wie schaffst du es, mit Leistungsdruck, Bewertungen und Kritik umzugehen?